Meine Kurzgeschichte „Verblasste Gischt“ wird bald in der Anthologie des Haller-Verlags zu lesen sein 🙂 Zur Zeit befindet sich die Anthologie zum Thema „Verlassene Orte“ im Lektorat. Einen kleinen Vorgeschmack dazu findet ihr hier:
Langsam kroch die träge untergehende Sonne hinter die spitz
hervorstehenden Klippen und versenkte den Kalkstein und das hart gegen ihn
donnernde Meer für einen kurzen Augenblick in einem intensiven Orange.
Sie konnte die Brandung monoton gegen die Steilhänge schlagen hören, während
sie ihre Fußspitzen in die sanften Ausläufer der am Strand verebbenden Wellen
streckte.
Ein von Minute zu Minute kälter werdender Wind wehte ihr ins Gesicht, brachte
Gischt und Salzgeschmack mit sich, während sie einfach nur schweigend, und in
die Fluten stierend da saß, die Knie eng an den Körper gepresst. Rot glimmend
senkte sich die Sonne gen Horizont. Nur noch ein schwacher, langgezogener
Schimmer am Ende des weiten Meeres zeugte vom Tag, und ließ sie in einem
seltsamen Zwischenlicht aus Abend und Nacht zurück.
Die letzten schwachen Strahlen glommen durch die verkohlten Skelettbeine in der
Ferne, die schwankend in Wind und Wasser standen und aussahen, als würden sie
jeden Augenblick unter einer der beiden Kräfte nachgeben.
Doch sie taten es nicht.
Seit Jahrzehnten standen sie einfach nur da, ragten alt und kahl, beinah
trutzig auf, gegen den grau werdenden, bleiernen Himmel; selbst die enormen
Klippen nahmen langsam die Farbe von Asche an, waren nicht mehr strahlend weiß,
sondern wirkten mit einem Mal ungemein fahl und dreckig.
Es fröstelte sie, sie zog die Beine enger an sich, schlang ihre Arme um die
Knie und drückte die Fußsohlen in den scharrenden, den gesamten Strand
einnehmenden Kies.
Es war kein schöner Strand.
Die groben, glitschigen Steine bohrten sich bereits schmerzhaft in die Haut
ihrer Oberschenkel, es roch nach Algen, Fisch und Tang. Und über allem schwebte
der penetrante, alles übertünchende Gestank nach Öl.
Jetzt da es dunkel war, sah man es nicht, doch bei Tageslicht war das Meer hier
an diesem Ort einfach nicht mehr blau. Auch nicht grün.
Es war grau.
Eine graubraune Brühe, die nur durch ihre rhythmische Bewegung erkennen ließ,
dass sie das weite Meer war.
Doch auch weit war es nicht mehr, wurde es doch für sie immer beschränkt durch
die Klippen und das Skelett. Dass es nicht immer so gewesen war, machte sie
fast noch trauriger, als die Tatsache, dass es nun so war.
Der Wind frischte auf, schlug ihr in frostigen Böen entgegen und brachte sie
zum Zittern, sodass sie sich schließlich ungelenk und mit steifen Gliedern
erhob, langsam über den mit Algen und Öl überzogenen, rutschigen Kies den
Strand hinabspazierte.
Die Arme fest um ihre Schultern schlingend, lauschte sie in die heraufziehende
Nacht hinein.
Das schier ohrenbetäubende Scharren und Knarren konnte sie selbst gegen Wind
und Brandung schon von Weitem hören. Ohne, dass sie es gewollt hätte, hatten
ihre Füße sie hierher getragen. Sie hatte nicht darauf geachtet, wohin ihre Schritte
sie führten und nun stand sie vor dem alten, schief in den Angeln hängenden
Messingtor.
Der alte Vergnügungspark am Strand.